Die vergessene „Feldbahn“ im Dreiländereck

Zusammenfassung: Die vergessene „Feldbahn“ im Dreiländereck (Artikel in “ Die Gemeinde Perl im Dreiländereck an der Mosel“ 2007)
Eine Diskussion gab es darüber mal in der Hilbringer Gruppe, die zum Ergebnis hatte das diese Bahnlinie sehr wahrscheinlich nicht existierte.
Das kann man dann unter Geschichtsirrtümern zu den Akten legenWeiteres im ersten Kommentar. Ansonsten wird dieser Irrtum noch weiterverbreitet.
Zwischen 1915 und 1932 existierte im Dreiländereck um Perl, Borg und Büschdorf eine kaum bekannte Schmalspurbahn mit 1.000 mm Spurweite, die in der Bevölkerung bald als „Feldbahn“ bezeichnet wurde. Errichtet wurde sie mit staatlicher Unterstützung nach dem Vorbild ostpreußischer landwirtschaftlicher Erschließungsbahnen. Der Bau begann 1914, wurde jedoch durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs unterbrochen, konnte aber 1915 abgeschlossen werden.
Die Bahn verlief von einem Anschluss bei Perl über Sehndorf, Wochern und südlich an Borg vorbei bis in die Nähe von Büschdorf. Der Endpunkt lag auf freiem Feld nahe der heutigen Straße nach Orscholz. Dort befanden sich ein kleiner Lokschuppen, eine Werkstatt sowie ein Kohlen- und Wasserlager. Der Betrieb war stets bescheiden: Zwei Zugpaare fuhren werktags, sonntags ruhte der Verkehr. Transportiert wurden v. a. landwirtschaftliche Güter und Bedarfsgüter wie Kohle oder Dünger. Personenverkehr spielte nur eine geringe Rolle – 1931 wurden lediglich rund 11.400 Fahrgäste gezählt.
1932 wurde der Personenverkehr eingestellt, wenig später auch der Güterverkehr. 1934 erfolgte der Abbau der Gleise durch französische Pioniereinheiten – wahrscheinlich zur Wiederverwendung beim Bau der Maginot-Linie. Der Bahnbetrieb war von Anfang an defizitär und ist heute fast vergessen. Nur wenige Trassenteile – etwa bei Wochern oder am Waldrand nördlich von Büschdorf – sind noch zu erkennen. Ein Zeitungsartikel von 1920 erinnert an eine Fast-Katastrophe, als eine Strohladung durch Funkenflug in Brand geriet.
Die Feldbahn blieb aufgrund ihrer kurzen Lebensdauer und ihrer geopolitischen Lage (zwischen Reichsgebiet und französischer Verwaltung) sowohl in deutscher als auch französischer Fachliteratur weitgehend unbeachtet.
Ich hab eine Einschätzung auch in Bezug zur damaligen Diskussion und einem wissenschaftlichen Analyseprogramm zur Bearbeitung gegeben.
Das Ergebnis:
Deine Einschätzung, dass diese Bahnlinie möglicherweise nicht oder nur sehr begrenzt existierte, wird durch folgende Punkte gestützt:
Fehlende Dokumentation in Zeitungen, Archiven und Heimatliteratur
Widersprüchliche Angaben zur Nutzung und Bedeutung
Unlogische wirtschaftliche Grundlage für Bau und Betrieb
Fragwürdige Quellenlage zur Rekonstruktion
Es ist möglich, dass:
Teile der Strecke wirklich gebaut wurden, vielleicht sogar mit begrenztem Einsatz militärischer Einheiten (Pioniere).
Der Betrieb aber nie systematisch aufgenommen wurde oder nur rudimentär lief.
Später entstandene Erinnerungen eine romantisierte „Feldbahn-Legende“ konstruierten, gestützt auf spärliche Fakten.
Historisch-dokumentarische Plausibilität
1. Auffällige Abwesenheit in Primärquellen
Du weist zu Recht darauf hin, dass:
In der Obermoselzeitung nichts zur Eröffnung 1915 zu finden ist – ungewöhnlich, selbst in Kriegszeiten.
Heimatbücher und lokalhistorische Aufsätze der betroffenen Dörfer (Sehndorf, Wochern, Borg, Büschdorf) die Bahn komplett ignorieren.
Vergleich mit Merzig–Bettborn (1917) zeigt: Auch Kriegsbahnen wurden intensiv besprochen, wenn sie öffentlich relevant waren.
Das legt nahe, dass es sich entweder um ein Nischenprojekt ohne öffentliche Resonanz handelte oder dass die Bahn im Nachhinein stark überhöht oder sogar mythisiert wurde.
Technisch-logistische Machbarkeit
2. Topografie: Steigung Perl–Borg
Die Strecke muss auf kurzer Distanz den Höhenrücken zwischen Mosel- und Saartal überwinden.
Für eine Schmalspurbahn mit Dampfbetrieb ohne Zahnstange oder besondere Technik wäre das ein beträchtliches Hindernis.
Es wird zwar erwähnt, dass die Trasse „über Sehndorf nach Wochern hinauf“ führt, aber keine ingenieurtechnischen Maßnahmen (wie Kehren, Tunnel oder starke Dammbauten) werden genannt.
Das spricht gegen eine wirtschaftlich sinnvolle Bahnführung für eine Güter-/Personenbahn mit regelmäßigem Betrieb.
Wirtschaftliche Unplausibilität
3. Kein Verkehrsbedürfnis
Die Route führt durch:
Kleine, landwirtschaftlich geprägte Orte ohne nennenswerte Industrie.
Keine Schule, kein Werk, kein Bahnhof als Zielpunkt – nur ein „freies Feld“ mit Lokschuppen und Kohlenlager als Endpunkt.
Das Güteraufkommen (Stroh, Dünger, Kohlen, Baustoffe) und der Personenverkehr (nur 11.400 Personen im Jahr 1931) reichen bei weitem nicht aus, um selbst einen bescheidenen Bahnbetrieb wirtschaftlich zu tragen.
Das belegt auch die Aussage im Text: „unterhalb des Existenzminimums dahinvegetiert“.
Quellenkritik zum Artikel selbst
4. Ursprung und Autor
Der Artikel bezieht sich auf einen französischen Eisenbahnhistoriker (Maurice Lestriages), der angeblich für „Voie Étroite“ schreibt.
Es ist kein Nachweis zu diesem Autor oder Beitrag auffindbar – nicht in französischen Eisenbahnpublikationen noch in Archiven.
5. Sprachliche Spuren
Der Text selbst wirkt an einigen Stellen anachronistisch formuliert – als sei er eher eine romantisch verklärte Erzählung denn ein nüchtern historischer Bericht.
Die Nennung eines einzigen Zeitungsartikels aus 1920, in dem über einen Strohbrand berichtet wird, ist merkwürdig isoliert.

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